Detroit im Song: Soul-Mekka, Motor City, Geisterstadt

„Geisterstädte sind das Ergebnis von Flucht- oder Wanderungsbewegungen und damit Zeugnisse für verschiedenste Ereignisse oder Entwicklungen“, heißt es im Ankündigungstext einer Reihe von Reportagen, die diese und kommende Woche auf arte laufen und anschließend noch eine Zeit lang in der Mediathek abgerufen werden können. Neben Riesi in Sizilien, wo der Mangel an Arbeitsplätzen und kriminelle Machenschaften viele Menschen zur Flucht in den Norden getrieben haben, Städten in der Türkei und in China ist auch Detroit im amerikanischen Bundesstaat Michigan Thema (9. und 16. Mai).

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Detroit, Rufnahme „Motor City“, war jahrzehntelang die amerikanische Autometropole und zog in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zahlreiche Arbeitssuchende, darunter viele Schwarze, an. Zwar erlebte die Stadt einen wirtschaftlichen Boom, doch war sie auch gleichzeitig immer wieder Schauplatz blutiger Auseinandersetzungen zwischen der schwarzen und der weißen Bevölkerung. Heute leidet Detroit aufgrund fehlender Arbeitsplätze, der allgemeinen Wirtschaftskrise und einer rigiden Sparpolitik an drastischem Bevölkerungsschwund und einer hohen Kriminalitätsrate, 2013 musste die Stadt Konkurs anmelden.

Kein Wunder, dass Detroit – durch das berühmte Motown-Label auch eine bedeutende Musikstadt – immer wieder in Songs thematisiert wird. Erst 2011 erschien A Long Time von Mayer Hawthorne, ein mitreißendes Stück im Motown-Sound, das von der Hoffnung auf die Rückkehr zu ruhmreichen Zeiten erzählt, aber auch von der Erkenntnis, dass es bis dahin ein langer Weg sein wird. In der ersten Strophe wird ein Mann namens Henry eingeführt, und unschwer kann man dahinter den Autobauer Henry Ford erkennen. Ford sorgte für den wirtschaftlichen Boom der Stadt, der mit dem krassen Bild der Atombombe verknüpft wird: „Welcome to the Motor Town / Boomin’ like an atom bomb“. Atombombe? Warum das? Wahrscheinlich weil mit dem Aufschwung eine explosive soziale Gemengelage zwischen Schwarz und Weiß entstand – und weil es 1966 in einem Forschungsreaktor bei Detroit zu einer partiellen Kernschmelze kam: ein Unfall, bei dem wie durch ein Wunder kein größerer Schaden entstand. In der zweiten Strophe des Songs geht es um einen Mann namens Berry, und natürlich ist Berry Gordy gemeint, der Gründer eben jenes Motown-Labels, das von Smokey Robinson und den Supremes über die Four Tops und die Temptations bis hin zu den Jackson Five, Stevie Wonder oder Lionel Richie etliche amerikanische Soulgrößen herausbrachte. Mit der wunderbaren Konsequenz: „Oh, people all around the world / Tuning in their radios“.

Henry und Berry, so der Refrain, waren die geschichtlichen Höhepunkte, das Ultimative, „the end of the story“, danach jedoch ging alles den Bach runter. Und doch wird auch die Entschlossenheit formuliert, etwas für den langwierigen Wiederaufstieg dieser Geisterstadt zu tun. „Then everything went wrong / And we’ll return it to ist former glory / But it just takes so long … It’s gonna take a long time / It’s gonna take it but we’ll make it one day.“

Explizit um den Reaktorunfall von 1966 geht es in We Almost Lost Detroit von Rap- und Soulpionier Gil Scott-Heron. Der klare, kaum poetisch verdichtete Text führt dem Hörer immer wieder die schreckliche Vorstellung vor Augen, dass damals beinahe eine ganze Stadt zerstört worden wäre. Atomkraft, singt Scott-Heron, ist eigentlich ein vom Wahnsinn getriebenes Konzept, bei dem es letztlich nur um Geld geht. Die Sicherheit der Menschen bleibt zweitranging: „That when it comes to people’s safety / Money wins out every time / And we almost lost Detroit this time, this time. / How would we ever get over / Over losing our minds? / You see, we almost lost Detroit / That time.“ Freunden der Coverversion sei die wesentlich lautere, aber nicht minder beeindruckende Interpretation des Stücks durch Dale Earnhadt Jr. Jr. empfohlen.

Eine besonders aufregende Phase erlebte Detroit in den 1960er Jahren, als es im Zuge der Rassendiskriminierung immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Schwarzen und Weißen kam – Letztere unterstützt von großen Teilen der Polizei.

Die Kämpfe gipfelten 1967 in den „12.-Straße-Unruhen“ („12th Street Riot“). Anlass war eine Polizeirazzia in einer Bar an der Ecke Clairmont Street, die anschließenden Straßenschlachten dauerten fünf Tage und forderten – auch weil Armee eingesetzt wurde – über 40 Todesopfer. Etliche Hundert Häuser wurden verwüstet. In The Motor City Is Burning, der nervösen Aufarbeitung der Ereignisse durch den Bluesmusiker John Lee Hooker, blickt noch im selben Jahr ein fassungsloses Ich auf die brennenden Straßen. Erinnerungen an den Vietnamkrieg drängen sich auf, man spürt die Angst des Sprechers, seine Heimatstadt könne komplett zugrundegehen. Weder weiß das Ich, was es gegen die Zerstörung tun kann, noch versteht es die Zusammenhänge, die zu den Unruhen geführt haben. Wie heftig die Wut der Bewohner des Viertels ist, zeigt das Bild der Heckenschützen, die die Feuerwehr am Löschen der Flammen hindern. Hier die ersten beiden Strophen: „Oh, the motor city’s burnin’, it ain’t no thing in the world that I can do / Don’t ya know, don’t ya know the big D is burnin’,ain’t no thing in the world that Johnny can do / My home town burnin’ down to the ground, worser than Vietnam. // Well, it started on 12th and Clairmont this mornin’, I just don’t know what it’s all about / Well, it started on 12th and Clairmont this mornin’ I don’t know what it’s all about / The fire wagon kept comin’, the snipers just wouldn’t let ’em put it out.“

Die 1960er Jahre waren aber auch die große Zeit der amerikanischen Gegenkultur, der Friedens- und der Protestbewegung, zum Teil vorgetragen mit revolutionärem Impetus. Und nicht wenige weiße Rockmusiker lieferten den Soundtrack dazu. Wie die in Detroit ansässige Band MC 5 (für „Motor City Five“), die sich nicht durch einen rauen Sound, sondern auch durch provokante Parolen auszeichnete und für viele Kritiker schon auf die Punkbewegung 10 Jahre später vorauswies. Ihre internationale Karriere starten MC 5 im Jahr 1969 höchst ungewöhnlich, nämlich gleich mit einer Live-LP, die auch eine Coverversion von John Lee Hookers The Motor City Is Burning enthält. Hier drosseln die Musiker das Tempo des Originals und verleihen dem Stück etwas Düster-Bedrohliches, etwas Dampfwalzenhaftes. Der Text wird an wenigen Stellen markant verändert, wodurch er seinen fassungslosen, resignativen Charakter verliert: Nicht der Sprecher des Songs hat keinen Schimmer, was er tun soll, sondern die Gegenseite, die weiße Gesellschaft („they“, „white society“) muss tatenlos zusehen, wie die Schwarzen für ihre Rechte kämpfen. In der zweiten Strophe wird das ungläubige Nicht-Verstehen des ursprünglichen Song-Ichs durch einen hasserfüllten Hinweis auf die anrückende Polizei ersetzt – die Rede ist von umherspringenden und -schreienden „pig cops“ („Bullenschweinen“). Und aus den anonymen Heckenschützen, die die Feuerwehr am Löschen der Flammen hindern, werden explizit Heckenschützen der radikalen Bürgerrechtsbewegung „Black Panthers“, mit denen sich die Band letztendlich solidarisiert. Hier die beiden ersten Strophen der Coverversion von MC 5: „Ya know, the motor city is burning, babe, there ain’t a thing in the world they can do / Ya know, the Motor City is burning, people, there ain’t a thing that white society can do / Ma home town burning down to the ground, worser than Vietnam. // Let me tell you how it started now: It started on 12th Clairmount that morning, it made the… the pig cops all jump and shout / I said, it started on 12th Clairmount that morning, it made pigs in the street go freak out / The fire wagons kept comin’, baby, but the Black Panther snipers wouldn’t let them put it out.“ Sprach aus dem Original ein verunsicherter Schwarzer, ein um seine Zukunft bangender „kleiner Mann von der Straße“, äußert sich bei MC 5 ein selbstbewusstes Song-Ich, das dem unterdrückerischen weißen Establishment den Kampf ansagt. Auch andere amerikanische Städte sind mit ihren Problemen in Songs thematisiert worden, etwa der einst dahinsiechende Seehafen Baltimore (Randy Newman) oder die Spielerstadt Atlantic City (Bruce Springsteen). Aber das sind wieder ganz andere Geschichten.

So unsexy, sexy zu sein

„Ich kann mich nicht daran erinnern, dich zu vergessen“, singen Shakira und Rihanna in ihrem aktuellen Hit, Can’t Remember to Forget You. Das ist eine ziemlich umständliche Art zu sagen: „Ich kann (oder ich werde) dich niemals vergessen“ – aber der Reiz der Formulierung liegt natürlich im Spiel mit dem scheinbar Paradoxen, der lustvollen Verquickung von Gegensätzen, die sich eigentlich ausschließen. Ein beliebtes Spielchen in Songlyrics, wobei man manchmal den Eindruck hat, dass der Songtext überhaupt erst von einem solchen Effekt inspiriert beziehungsweise nur auf diesen Effekt hin geschrieben wurde.

Zum Beispiel Huey Lewis & The News: Die sangen einst grinsend: „It’s hip to be square“ („Es ist hip, spießig zu sein“) und umgaben den im Grunde blödsinnigen Spruch mit ein paar selbstironische Gedanken zum Älterwerden, à la: Da schau her, auch die, die in ihrer Jugend mal ganz schräg drauf waren, passen sich irgendwann an. Ähnlich tröstlich, wenn auch genau in die entgegengesetzte Richtung, äußert sich Jesse J in Who You Are, wenn sie beteuert: „It’s okay not to be okay.“ Überall Anforderungen und Zwänge, die einem, wenn man ein bisschen anders ist, leicht ein schlechtes Gewissen verursachen. Aber nicht verzagen, so Jesse J, versuch einfach, dir selber treu zu bleiben. „Anders ist das neue gleich“ gewissermaßen.

Etwas krasser auf der Selbstbehauptungsschiene fährt die Hardrockband Poison mit ihrem Song Bad to Be Good: „You gotta be bad to be good“, heißt es da, ”in the dead of the night“ – womit ganz offenbar das Zurechtkommen und Überleben in einer von Dealern, Dieben und Straßengangs beherrschten Umwelt gemeint ist. Ein böser, besser: taffer Junge sein, um etwas Gutes zu erreichen – das schätzen auch die Rockerkollegen von Whitesnake, wenn sie singen: „Sometimes it’s good to be bad.“ Anders als bei Poison geht es bei Whitesnake aber nicht um taffes Auftreten in einer feindseligen Umgebung, sondern schlichtweg um die Lust auf Sex. Der Vers im Kontext: „Anytime you got love on your mind / Babe I got news for you / All I’m gonna say: / Sometimes it’s good to be bad / Bad to the bone.“

So geht das munter weiter in Songtexten. Man denke sich ein sprachliches Gegensatzpaar, und schon finden sich irgendwelche Lyrics, in denen beide Begriffe mehr oder minder geschickt ineinander verwurschtelt werden. Langsam/Schnell? Kein Problem: „Sometimes the fastest way to get there is to go slow“, beschwört uns die Dänin Tina Dico in ihrem wunderschönen Selbstfindungssong Count to Ten. Gewinnen/Verlieren? Aber klar doch: „I went out on a limb again / Guess I had to lose to win.“ Das gesteht uns „Harry Potter“-Darsteller Freddie Stroma in einem Song namens Knockin‘, während Fantasia Barrino, Gewinnerin der dritten Staffel von „American Idol“, der US-Variante von „Deutschland sucht den Superstar“, schmachtet: „Have you ever needed someone so bad / But he ain’t willing to make it last / Sometimes you got to lose to win again.“ Ja, manchmal muss man eben einen schlimmen Partner verlieren, um eine neue Liebe zu gewinnen. Oder, um es mit der Australierin Sia Furler, Solokünstlerin und Songwriterin unter anderem für Rihanna (Diamonds), zu sagen: „It has to end to begin“ (aus dem Song Numb). In jedem Verlust steckt ein Neuanfang. Krise als Chance. Ja, im Lovesong ist man gerne glücklich, so unglücklich zu sein.

Apropos Lovesongs: Am ehesten bietet sich hier natürlich das Spiel mit dem Gegensatzpaar Lieben/Hassen an. Ganz vorn mit dabei ist einmal mehr Rihanna, die in Hate That I Love You hadert: „But I just can’t let you go / And I hate that I love you so.“

Ich hasse es, dich zu lieben. Yo!

Aber das geht doch bestimmt auch andersrum, oder? Klar doch, wie Erasure zeigen. In einem ihrer Klassiker aus den frühen Neunzigern schildern sie eine etwas merkwürdige Beziehungskonstellation. „Und die Liebhaber, die du mir schicktest / Kamen leider ohne Befriedigungsgarantie / Also schicke ich sie zurück an den Absender / Mit folgendem Vermerk: / ‚Wie ich es liebe, dich zu hassen’…“ Im Original: ”And the lovers that you sent for me / Didn’t come with any satisfaction guarantee / So I return them to the sender / And the note attached will read: / ‚How I love to hate you’…“

So rätselhaft das auch klingt, das Synthipop-Juwel samt Video macht einen Heidenspaß. Und wer will, kann in folgenden Versen aus der ersten Strophe auch einen Hinweis auf die Gaudi erkennen, die Vince Clark und Andy Bell beim Verfassen des Songs gehabt haben müssen: „Love and hate, what a beautiful combination / Sending shivers up an down my spine.“ Ähnlichen Spaß sollen Rihanna und Shakira beim Dreh des Videos zu Can’t Remember to Forget You gehabt haben. Da räkeln sich die beiden leicht bekleideten Superstars dermaßen bescheuert in „Ruf! Mich! An!“ und „Nimm mich!“-Posen um die Wette, dass man nur konstatieren kann: Es ist so unsexy, sexy zu sein.

 

 

Lieder, Lieder: Songfuchs Adel Tawil

„Und ich höre diese Lieder / durch den Schmalz in meinen Ohren / Hab aus Werken andrer Künstler / einen Instant-Hit geboren“ – so oder ähnlich könnte es klingen, wenn man Lieder parodiert, den aktuellen Hit von Adel Tawil. Bin gespannt, wann die ersten Parodien dieser Art kommen, denn der Song, der derzeit rauf und runter läuft im Radio, ist dermaßen „offensichtlich“, dass sich nicht wenige Kenner bemüßigt fühlen dürften, spontan loszureimen.

Die Idee zu Lieder ist so überraschend wie simpel – und eigentlich ganz charmant: Titel von Hits, vornehmlich aus dem englischsprachigen Raum, werden eingedeutscht und vom Sprecher so in den Text eingearbeitet, als hätte er sie „gelebt“: „Ich ging wie ein Ägypter / Hab mit Tauben geweint“, heißt es da oder: „Michael lässt mich nicht allein“ und „Kurt Cobain sagte mir, ich soll kommen, wie ich bin.“ So werden neben You Are Not Alone von Michael Jackson, neben Nirvanas Come As You Are, When Doves Cry von Prince und Walk Like An Egyptian von den Bangles auch Unbelievable von EMF, Bob Dylans Like A Rolling Stone oder Louis Armstrongs What A Wonderful World verwurstet. Manchmal wird auch ein Plattencovermotiv oder ein Star direkt erwähnt. Eine nette Art, großen, wichtigen Songs und Alben der jüngeren Musikgeschichte, wahrscheinlich auch Lieblingsliedern Tribut zu zollen – und eine kleine Rätselserie, die zumindest von eingefleischten Hitradiohörern leicht zu knacken ist.

Durch Verweise auf Songs der Gruppe The Boyz, in der er Mitglied war, und Ich + Ich, das erfolgreiche Duo, das er einst zusammen mit Annette Humpe bildete, spielt Adel Tawil auch auf seine eigene Karriere an. Es sind Bezüge, die man „persönlich“ nehmen kann, aber nicht persönlich nehmen muss. Der Song funktioniert auch ohne dass man etwas über Adel Tawils Werdegang weiß. Und ohnehin lebt das Ganze fast ausschließlich von den spektakulären Quellen, aus denen es sich bedient und die im Video lustvoll mit viel Tricktechnik noch einmal präsentiert werden. Da geht Tawil durch einen Plattenladen und zieht die entsprechenden Alben aus den Fächern, oder er läuft durch die Stadt, derweil Covermotive auf seinem T-Shirt und auf großen Reklameschildern ineinander übergehen.

Das wirkt beim ersten Hören ergreifend und clever gemacht, auf Dauer hat es für mich einen leichten „Rip-off“-Beigeschmack – wenig dichterische Eigenleistung und voll im Trend der wehmütigen Rückschau-Songs, von Kid Rocks All Summer Long über den Bosse-Hit Schönste Zeit, der ebenfalls mit Kurt-Cobain-Bezug daherkommt, bis Wie wir waren von Unheilig & Andreas Bourani. Und doch: Der Song geht nicht nur ins Ohr, er regt auch die eigene Erinnerung an und motiviert am Ende zur spielerischen Nachdichtung, natürlich unter Verarbeitung der persönlichen Lieblingsinterpreten und -alben. Ich hab’s spontan versucht und dabei drei Dinge festgestellt. Erstens: Viele der Songs, die ich eigentlich mag, kriege ich gar nicht griffig eingearbeitet. Zweitens: Die Geschichte, die ich erzähle, verselbstständigt sich mit den Bezügen, die ich wähle – oder mit den Reimen, die ich brauche. Und drittens: Zwangsläufig habe ich auch Songs eingebaut, die ich gar nicht unbedingt mag – nur damit es weitergeht. Insofern bitte ich, aus den folgenden Lyrics für einen nicht existierenden Song keine Rückschlüsse auf meine Person zu ziehen. So wie man vielleicht auch Adel Tawil nicht alles abkaufen muss, was er da „mit Tränen in den Augen“ singt…

PS: Die Auflösung zu den durch den Mixer gejagten Songs gibt’s am Ende.

PPS: Warum nicht selber mal einen Lieder-Text versuchen. Freue mich auf Kommentare

Mehr Lieder

Ich spürte Samstagabendfieber
Du warst meine Dame in Schwarz
Ich sah deine blauen Augen
Liebe rettete den Tag

Du flogst mit mir zum Mond
Durch Gammastrahlen, Sonnenfeuer
Zu des Mondes dunkler Seite
Voller Freaks und Ungeheuer

London rief, wir nahm’n die Autobahn
Fuhr’n im Taxi nach Paris
Wir hatten Visionen von China
Und landeten, oh, in Wien

Wir kam’n ins Hotel Kalifornien
Teenage-Geist war unser Duft
Ein schwarzer Hund, ich sah es kommen
Plötzlich lag was in der Luft

Du gabst mir einen Kuss
Und sagtest: Ich bin nicht verliebt
Keine Pläne mehr für Nigel
Nie mehr Foxtrot, Liebesdieb!

(Refrain)

Und jetzt hör ich diese Lieder
Und es werden immer mehr
Ja, das Beste mag noch kommen
Alles so verdamp lang her

Gestern Mixtape, Vinylträume
Heute Klanginseln im Strom
Musik eint Rebell’n und Bürger
Für immer im Vergnügungsdom

Oh, wie wünscht’ ich, du wärst hier
Um am Nullpunkt mich zu retten
Und im Boogie-Wunderland
Für immer dich an mich zu ketten

Du lässt mich häng’n am Telefon
Von Gerüchten umsäumt
War’s vielleicht nur Illusion?
Hab ich alles nur geträumt?

Genug mit Frieren in der Hölle
Hab nicht vergessen, doch vergeben
Wir verblassen zu Grau
Und ich werd es überleben

(Refrain)

Und jetzt hör ich diese Lieder
Und es werden immer mehr
Ja, das Beste mag noch kommen
Alles so verdamp lang her

Gestern Mixtape, Vinylträume
Heute Klanginseln im Strom
Musik eint Rebell’n und Bürger
Für immer im Vergnügungsdom

Heute hör ich Glocken röhren
Kein Rauch mehr überm Wasser
Trinke Tee in der Sahara
Tanz in Cape Cod Kwassa Kwassa

Auf der langen gewundenen Straße
Klöppeln Congas, es geht bergauf
Neue Liebe, neues Leben
Für mich reißt der Himmel auf

Hab dich ganz und gar vergessen
Denk nicht mehr an den letzten Kuss
Geh doch einfach deinen Weg
Und weine mir ’nen Fluss!

Trag ’ne billige Sonnenbrille
Zieh’ neue Jeans mir an
Landgeschwindigkeitsrekorde
Dabei so sanft, ich bin der Mann

Dünne Lisbeth, alberner Idiot
Alle winken sie mir zu
Mit der ganzen Popgeschichte
Auf Tuchfühlung und per Du

(Refrain)

Und jetzt hör ich diese Lieder
Und es werden immer mehr
Ja, das Beste mag noch kommen
Alles so verdamp lang her

Gestern Mixtape, Vinylträume
Heute Klanginseln im Strom
Musik eint Rebell’n und Bürger
Für immer im Vergnügungsdom

((Die verwursteten Songs: Bee Gees, Saturday Night Fever / Uriah Heep, Lady in Black / Ideal, Deine Blauen Augen / Whitney Houston, Love Will Save the Day / Julie London, Fly Me to the Moon / Birth Control, Gamma Ray / Manfred Mann’s Earth Band, Solar Fire / Pink Floyd, Dark Side of the Moon / Chiic, Le Freak / Eminem, The Monster / The Clash, London Calling / Kraftwerk, Autobahn / Felix de Luxe, Taxi nach Paris / Japan, Visions of China / Ultravox, Vienna / The Eagles, Hotel California / Nirvana, Smells Like Teen Spirit / Led Zeppelin, Black Dog / Phil Collins, In The Air Tonight / Prince, Kiss / 10cc, I’m Not In Love / XTC, Making Plans for Nigel / Genesis, Foxtrot / Depeche Mode, Love Thieves / Frank Sinatra, The Best Is Yet to Come / BAP, Verdamp lang her / Jimmy Eat World, Mixtape / Narada Michael Walden, Dreams of Vinyl / Kenny Rogers & Dolly Parton, Islands in the Stream / Madonna, Music / Frankie Goes to Hollywood, Welcome to the Pleasuredome / Pink Floyd, Wish You Were Here / The Fixx, Saved By Zero / Earth, Wind & Fire, Boogie Wonderland / Fleetwood Mac, The Chain / Blondie, Hangin’ On the Telephone / Timex Social Club, Rumors / Imagination, Just An Illusion / Nena, Nur geträumt / Mitch Ryder, Freezin’ in Hell / The Corrs, Forgiven Not Forgotten / Visage, Fade to Grey / Gloria Gaynor, I Will Survive / Mike Oldfield, Tubular Bells / Deep Purple, Smoke on the Water / The Police, Tea in the Sahara / Vampire Weekend, Cape Cod Kwassa Kwassa / The Beatles, The Long And Winding Road / Gloria Estefan, Conga / Jürgen Marcus, Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben / Silbermond, Himmel auf / Fleetwood Mac, Go Your Own Way / Julie London, Cry Me A River / ZZ Top, Cheap Sunglasses / David Dundas, Jeans On / Hüsker Dü, Land Speed Record / Santana, Smooth / Joe Jackson, I’m the Man / Thin Lizzy / Daft Punk)

Me, Myself & I

Demenz ist ein großes Thema. Und dafür gibt es triftige Gründe: Die gesellschaftliche Entwicklung und der medizinische Fortschritt sorgen dafür, dass immer mehr Menschen immer älter werden. Doch mit zunehmendem Alter häufen sich Kranheiten, die in dieser Art und in diesem Ausmaß bisher nicht allzu relevant waren. Da sagen sich immer mehr immer älter werdende Menschen und immer mehr Mittvierziger, die zum ersten Mal eine Gedächtnislücke hatten: Holzhirn, sei wachsam! Gleichzeitig hat Demenz etwas zutiefst Verstörendes: Ein Hüftgelenk kann man ersetzen, ein Organ operieren – doch Alzheimer und andere Formen von Demenz markieren einen unaufhaltsamen Angriff auf die geistige Verfassung. Es geht um nichts weniger als die mögliche Auflösung der Persönlichkeit. Das weckt existenzielle Ängste.

Kein Wunder, dass Demenz längst auch Thema von Songs ist. Doch die Beispiele, die man im Internet findet, sind meist simpel gestrickt. Sie nehmen entweder die Perspektive eines erkrankten Menschen oder die Perspektive einer fassungslosen nahestehenden Person ein, das bietet sich an. Aber meist bleiben sie auf das bloße Beschreiben von Symptomen beschränkt: Da geht es um zunehmende Vergesslichkeit, ein immer höheres Maß an Verwirrtheit, der Tenor ist Betroffenheit. Umso spannender ist ein wunderschöner Song, den die Schottin Amy MacDonald 2012 zum Thema beigesteuert hat. Er heißt Left That Body Long Ago und ist in einschlägigen Internetvideoportalen leider nur als Audiodatei mit Lyrics-Anzeige oder Diashow zu finden. Den Pressemitteilungen nach ist Left That Body Long Ago inspiriert von der an Alzheimer erkrankten Großmutter der Sängerin. Auf jeden Fall erweist sich das Song-Ich schnell als demenzkranke Frau, die versucht, zu ihren Angehörigen zu sprechen. „Ich kann mich nicht mehr an meinen Namen erinnern, und ich weiß nicht, wer ihr seid, ich bin nicht mehr die Person, die ihr seht“, heißt es da übersetzt, „Ich weiß nicht, warum ihr eure Mutter, eure Ehefrau verloren habt, aber da ist mehr, als ihr seht, dies ist nicht das Ende, ich habe einfach nur diesen Körper schon lange verlassen. Jetzt bin ich frei, und ich bin glücklich, das wollte ich euch wissen lassen.“

Was ich bemerkenswert finde: Der Song geht über das betroffene und letztlich verständnislose Beschreiben von Demenzsymptomen hinaus. Auch wenn die Vorstellung eines Ichs, das den Körper verlassen hat, etwas esoterisch anmuten mag, ist da doch der Gedanke an eine starke Persönlichkeit: an ein Subjekt, das sich lediglich auf dem Rückzug befindet. Wo genau dieses Subjekt sitzt und wie es beschaffen ist, das kann und will der Song nicht erklären. Aber er beharrt auf der Existenz eines Ichs. Und dieses Ich äußert sich kraftvoll, intensiv, nutzt die Sprache für eine ergreifende Botschaft an die Angehörigen.

Bleibt das Ich im Demenzfall unangetastet, oder löst es sich allmählich auf? Gibt es überhaupt so etwas wie ein Ich, oder handelt es sich dabei um eine sprachliche Illusion? Wie entsteht Persönlichkeit“? Und was bedeuten solche Fragen für die Kategorie des „Autors“? Fiese Fragen, die ans Eingemachte gehen. Gedanken dazu im neuen Beitrag meiner Reihe „What have they done to my song?“ auf Faustkultur: http://faustkultur.de/1527-0-Behrendt-What-have-they-done-to-my-Song-IX.html

 

 

Meine Mutter lernte mich zu sagen…

Neulich ging es an dieser Stelle um die Unfähigkeit, sprachlich korrekt zu texten. Diese Unfähigkeit ist natürlich dann am offenkundigsten, wenn man sich in einer anderen als der Muttersprache versucht. Das fiel mir kürzlich wieder auf, als ich im Radio die guten alten Lords aus Berlin hörte, in den 1960er Jahren eine der erfolgreichsten deutschen Antworten auf die Beatles. Die Lords coverten damals viele britische Originalhits, versuchten sich aber immer wieder auch an Eigenkompositionen. Dabei gingen sie musikalisch gar nicht mal schlecht zu Werke, bewiesen ein feines Gefühl für beattypische Riffs, Akkordwechsel und Melodien. Aber was sie textlich ablieferten, war oft nur aus Versatzstücken zusammengestoppelt, und das nicht selten in fehlerhaftem Englisch.

Ein einschlägiges Beispiel ist ihr Hit Poor Boy aus dem Jahr 1965. Die erste Strophe und der Refrain des Songs lauten tatsächlich: „When I was born, you know / I couldn’t speak and go / My mother worked each day / And she learned me to say / Mother and father and son, / Sister and uncle have fun / And she learned me to say / Life is so hard each day // Poor boy, you must know / Poor boy the life is hard to go / Poor boy, poor boy, you might say / Life is very hard to stay.“

Das ist natürlich ein wunderbarer Schmunzeltext. Denn die Phrase „She learned me to say“, die eine Mutter an ihren Sohn richtet, ist wunderbares Denglisch, übersetzt heißt sie: „Sie lernte mich zu sagen“, wo doch „Sie lehrte mich zu sagen“, englisch: „She taught me to say“, korrekt gewesen wäre. „The life is hard to go“ ist eine weitere herrlich verhunzte Phrase, zum einen weil hier „life“ fälschlicherweise mit dem Artikel „the“ versehen ist, zum anderen weil „life is hard to go“ kaum Sinn ergibt. Vielleicht ging es darum, dass der Weg des Lebens nicht leicht zu gehen ist, aber das hätte man auch so oder ähnlich ausdrücken können. „Armer Junge, das Leben ist hart“, scheinen uns die Lords im Großen und Ganzen vermitteln zu wollen, doch verstellen sie diese Aussage zusätzlich durch banalste Feststellungen wie: „Als ich geboren wurde, konnte ich weder sprechen noch gehen“ (in den englischsprachigen Lyrics „I couldn’t speak and go“, wo „talk or walk“ angebrachter gewesen wäre) und groteske Einschübe à la: „Mutter, Vater, Sohn, Schwester und Onkel haben Spaß.“

Ja, das Leben ist hart zu bleiben – dieser sinnfreie Schlusssatz setzt dem textlich sowieso schon verhunzten Refrain noch die Krone auf. Angesichts solcher sprachlicher Klöpse wundert man sich nicht, wenn man bei Wikipedia liest, dass Klaus-Peter „Lord Leo“ Lietz den Song in gerade mal drei Stunden zusammengefrickelt haben soll.

Allerdings lässt sich über den unfreiwilligen Unterhaltungswert hinaus auch eine Erkenntnis aus solchen sprachlichen Irritationen, Unsauberkeiten und Ungereimtheiten in Songtexten mitnehmen: nämlich dass Lyrics nicht etwa unmittelbarer Ausdruck der Gefühle einer Autorin oder eines Autors, sondern etwas Künstliches, Konstruiertes sind. Wie im Kino, wenn der Ton zu leise, das Bild unscharf ist oder der Filmstreifen reißt, wird auch in Lyrics durch grobe sprachliche Unregelmäßigkeiten die Illusion gestört. Man wird aus der Gedanken- und Gefühlswelt, in die man gerade eingetaucht war, mehr oder minder unsanft herausgerissen. Und das sagt gleichzeitig etwas über das Verhältnis zwischen dem Song-Ich und dem biografischen Ich der Autorin oder des Autors aus. Natürlich kann es eine große Nähe zwischen beiden Polen geben, aber die künstlerische Überformung mit all ihren Verfremdungseffekten und Fallstricken sorgt auch für eine grundsätzliche Distanz.

 

Dass es hin und wieder selbst in deutschsprachigen Lyrics deutscher Songwriter knirscht und wie andererseits sprachliche Ungereimtheiten ganz gezielt sinnstiftend eingesetzt werden können, erörtere ich ausführlicher in meinem aktuellen Beitrag für die Reihe „Pop-Splitter“ auf Faust-Kultur: