Kreative Verwurstung: Von der „sheet music“ zur Coverversion

„Unser täglich Cover gib uns heute“ heißt eine wunderbare Facebook-Seite, die vor ein paar Monaten von ein paar Frankfurtern ins Leben gerufen wurde. Deren einziger Sinn und Zweck besteht darin, auf mehr oder weniger bekannte, mehr oder weniger gelungene, mehr oder weniger mitreißende Coverversionen mehr oder weniger berühmter Originalsongs hinzuweisen und den Austausch darüber anzukurbeln.

Musikinteressierte können auf https://www.facebook.com/events/123262091176610/?ref_notif_type=plan_mall_activity&source=1 wunderbare Entdeckungen machen. Oder wussten Sie etwa schon, dass auch Dolly Parton schon mal Led Zeppelins Stairway to Heaven gecovert hat? Dass es Countryversionen von Van-Halen-Songs gibt? Dass man über Queens Opernrockspektakel Bohemian Rhapsody auch lauthals loslachen kann? Oder dass aus Michael Holms Schlager Mendocino mal eine Punkband namens Die Zwangsversteigerten Doppelhaushälften den Song Pornokino gemacht hat? Von der schüchternen Kopie bis zur gnadenlosen Parodie, vom überraschenden Genretransfer bis zur ungeahnte Tiefen auslotenden Adaption, von der Instrumentalversion bis zur Übertragung in eine andere Sprache ist alles dabei.

Das spielerisch-künstlerische Covern eines fremden Songs ist heute gängige Praxis. Es war aber anfangs keineswegs selbstverständlich, sondern musste sich erst über einen längeren Zeitraum hinweg etablieren. Denn weit bis ins 20. Jahrhundert hinein war das Musikgeschäft ein Verlagsgeschäft, das heißt, das Original eines Songs manifestierte sich vor allem in den niedergeschriebenen Noten und Lyrics. Auch als Schallplatte und Rundfunk ihren Siegeszug antraten, waren es noch einige Jahre lang die Verkaufszahlen der Partituren, die die Chartsplatzierung von Songs bestimmten. Es gab in der Regel sogar mehrere gleichzeitig kursierende Aufnahmen eines Songs, ohne dass man von Covern gesprochen hätte. Je öfter eine Komposition aufgeführt wurde, desto höhere Tantiemen kamen für die Verlage heraus. Was eigentlich zählte und Geld brachte, war die schriftlich fixierte Komposition.

Erst mit Blues- und Folkmusikern, die teilweise keine Notenkenntnisse besaßen, aber einen unverwechslebaren Individualstil einbrachten, sowie mit Musicalfilmen und Stars wie Marlene Dietrich rückte die interpretin, der Interpret ins Zentrum des Interesses: Frei nach der Devise „It’s the singer, not the song“ etablierte sich allmählich die zuerst veröffentlichte Tonaufnahme eines Songs als Original – alle später veröffentlichten Versionen galten fortan als Coverversionen. So wandelte sich das Musikgeschäft zum Tonträgergeschäft. Mehr über dieses spannende Kapitel der Musikgeschichte in meinem neuen Beitrag auf Faust-Kultur.