Sweet Streams Are Made of This

Ein Plattenvertrag, dann Tonträger- und Tournee-Umsätze, schließlich Superstartum? Diese Zeiten sind längst vorbei. Heute wollen sich aufstrebende Musiker immer weniger auf eine vom digitalen Wandel gebeutelte Musikindustrie verlassen. Lieber suchen sie als „unsigned artists“, auf eigene Faust, in den Weiten des Internets ihren Weg – zwischen Aggregatoren und E-Shops, zwischen Webradios und Streamingdiensten. Es ist ein steiniger Weg. Und doch ein faszinierender. Denn ausgerechnet in dieser gnadenlosen Schönen Neuen Musikwelt hegt und pflegt eine globale Künstlergemeinde einen sehr markanten Eighties-Trend unbeirrt weiter: Synthpop & Synthwave. Mittendrin: das deutsche Projekt Buzzing Sound Candy. Einblicke in die Musikproduktion des 21. Jahrhunderts – und in einen aufregenden virtuellen Mikrokosmos.

Unsigned artists“, das sind Künstler ohne „Plattenvertrag“. Künstler, die an kein Tonträger-Label gebunden sind, sich von niemandem per Kontrakt vertreten lassen. Ein Zustand, der wohl auf die überwältigende Mehrheit der Hobby- und Profimusiker zutrifft. Mussten „unsigned artists“ im 20. Jahrhundert noch ein weitgehend unerhörtes Dasein fristen, hat ihnen das digitale Zeitalter schier unendliche Möglichkeiten eröffnet: Heute können selbst produzierte Songs und Tracks ohne Label und komplett in Eigenregie veröffentlicht werden – und zwar im Internet, auf den unterschiedlichsten Plattformen. Das ist, keine Frage, grundsätzlich eine sinnvolle Sache: Denn die Musikkonsumenten von heute kaufen immer weniger klassische Tonträger wie CDs, sondern erwerben ihre Lieblingstitel lieber virtuell als Datenpakete. Oder – und dahin geht der Trend – sie verzichten gleich ganz auf den „Besitz“ von Songs, das heißt, sie streamen ihre Lieblingsmusik nur noch, gegen eine überschaubare Monatsgebühr.

Womit wir auch schon bei den Schattenseiten dieser unendlichen Möglichkeiten sind. Denn gerade „unsigned artists“ befinden sich anno 2019 in einem globalen virtuellen Wettstreit mit unzähligen anderen Künstlern. Sie investieren Unmengen an Liebe, Zeit und Geld in die eigene Musik und die Selbstvermarktung, aber die Chancen, mit ihrer Musik einmal nennenswerte Umsätze zu erzielen, sind gesunken. Sich irgendwo als Band mit einem eigenen Profil zu platzieren, mag vielleicht noch leicht gelingen. Doch um einen größeren Bekanntheitsgrad zu erlangen, muss man verschiedene Hürden nehmen – von Aggregatoren und Streamingdiensten über den Kampf um die Aufnahme in wichtige Playlists bis hin zum Buhlen um die Gunst einflussreicher Webradio-DJs.

Kreatives Pingpong

„Auf nervöse A&R-Typen und windige Vertiebspartner habe ich keine Lust mehr, sie reden einem ständig rein und stellen indiskutable Konditionen in den Raum. Ich ziehe mein Ding lieber alleine durch.“ Sagt Rossi, Komponist, Texter und Soundtüftler von Buzzing Sound Candy. Zur Musik von Buzzing Sound Candy kommen wir noch – zuvor soll es um die Arbeitsweise und die Strategie des deutschen Projekts gehen. Denn die haben so etwas wie Modellcharakter für die „unsigned artists“ von heute. Rossi lebt in Frankfurt am Main, wo er einst als Bassist in Punkbands begann, um dann die Welt der Synthesizer für sich zu entdecken und fortan House- und Electro-Musik zu produzieren. In den letzten Jahren hat er auch als DER AXIOMATOR fantasievolle elektronische Akzente gesetzt. Über Musikerforen und andere Kontakte findet er Gastsängerinnen und -sänger. Und mal trifft man sich in der realen, analogen Welt zum Gedankenaustausch oder gar zum Aufnehmen – mal entwickelt man Songs standesgemäß über eine größere räumliche Distanz hinweg via Hin- und Herschicken von Audiodateien im Internet. Es ist ein kreatives Pingpong. Oft hat Rossi die Tracks schon vorproduziert, mal mit Gesangsmelodie und Text, mal steuern die Gastvokalisten einen eigenen Text, eine eigene Melodie bei. Auf diese Weise wird ein Track immer wieder überarbeitet und um Sounds und Parts ergänzt – so lange, bis die Endversion steht.

Künstlerauswahl per KI?

Schnell haben sich Buzzing Sound Candy, kurz: B.S.C., eine Webrepräsentanz geschaffen, es war wahrscheinlich die leichteste Etappe auf dem künstlerischen Weg. Hier stellt sich das Projekt vor, bietet Audio-Dateien zum Anhören und zum Kauf an, bestimmt die Preise, hat alles selbst im Griff. Auch das Artwork hat Rossi in Eigenregie entwickelt, für das Betreiben der Homepage zahlt er einen überschaubaren Monatsbeitrag. Doch nur mit einem Bandprofil im Internet kommt man nicht weit. Das Ziel muss sein, in allen virtuellen Music-Stores und auf allen relevanten Streamingportalen vertreten zu sein – von iTunes über Amazon Music bis hin zu Spotify & Co. Und wie erreicht man dieses Ziel? Über einen sogenannten Aggregator. Aggregatoren, oft Ableger großer Unternehmen, auch aus der Musikbranche, bilden so etwas wie die Schnittstelle zwischen Künstlern auf der einen und Stores beziehungsweise Streamingdiensten auf der anderen Seite. Sie sorgen dafür, dass die Künstler mit ihrer Musik überall vertreten sind – und halten dafür natürlich die Hand auf. Aber nicht nur das: Sie prüfen die Musik sogar, bis hin zur Zensur. „Der harmlose B.S.C.-Weihnachtssong EMPATHY!, der im Dancegewand für ein fleischloses, vegetarisches Weihnachtsfest plädierte“, erinnert sich Rossi, „wurde von einem deutschen Aggregator vehement abgelehnt, eigentlich ein Skandal!“ Und: „Wer weiß, ob da nicht schon ein paar Algorithmen am Werk waren, die nach Reizwörtern wie ,slaughter‘ oder ,blood‘ gesucht und dann gnadenlos aussortiert haben. Ich denke sowieso, dass wir mit dem Thema Künstliche Intelligenz zukünftig auch im Musikbereich noch unser blaues Wunder erleben.“ Wie auch immer: B.S.C. zogen die Konsequenz und wechselten. Jetzt sind sie bei einem amerikanischen Aggregator, mit dem es keinerlei Probleme gibt.

Immer online

Aber sind mit einem guten Aggregator alle Weichen für eine erfolgreiche Karriere von Buzzing Sound Candy gestellt? Mitnichten. Denn optimal wäre es, in die großen Apple- und Spotify-Playlists mit Millionen von Followern aufgenommen zu werden. „Wer da vertreten ist, erreicht auf einen Schlag zigtausend mehr Hörer, das heißt, er wird auch häufiger gestreamt“, weiß Rossi, „und jeder Stream bringt ein kleines bisschen Geld.“ Aber: „Als unsigned artist kommst du da nicht rein. Um in ,beliebte‘ Playlists von sogenannten ,Music influencers‘ reinzukommen, wird ordentlich Geld verlangt. Da blüht mittlerweile ein großer und unseriöser Markt, das ist allgemein bekannt.“ Pay for a Play – diese Strategie kommt für Buzzing Sound Candy nicht infrage. Weshalb das Projekt seine Musik unermüdlich über soziale Medien wie Twitter und Instagram promotet und versucht, regelmäßig von den weltweiten Internetradiostationen gespielt zu werden, am besten in den Shows renommierter DJs. Solche Internetradios gibt es wie Sand am Meer, und auch hier haben sich je nach Musikgenre Topstationen und Star-DJs etabliert. Wer sich einen ersten Einblick verschaffen möchte, schaue nach bei Mixcloud.com, laut Selbstbeschreibung die „global community for audio culture“. Sie lädt ein, mehr als 15 Millionen Radioshows, DJ-Mixes und Podcasts zu entdecken.

Der PR- und Marketing-Aufwand, um Buzzing Sound Candy in den Webradios der Welt zu platzieren, ist enorm. Die aufwendig erstellten Promopakete schicken B.S.C. an die Radiostationen und DJs, dann muss nachgehakt werden. „Wenn möglich, ist man bei Twitter und Instagram praktisch ,always online’“, wie Rossi erklärt. Die Präsenz in den weltweiten Radioshows „bringt erst mal kein Geld, aber Werbung.“ Und motiviert interessierte Hörer, B.S.C. durch Käufe zu unterstützen. Dasselbe gilt für die Remixes, die angesagte DJs für das Projekt erstellen. Diese DJs, die man natürlich auch erst mal für sich gewinnen muss, haben ihr Publikum – und was sie remixen, erfährt gesteigerte Aufmerksamkeit.

Sind Freunde elektrisch?

Womit wir allmählich das vollständige Bild zusammenhaben: Buzzing Sound Candy betreiben ihre eigene Webrepräsentanz www.buzzingsoundcandy.com und sind über den US-Aggregator DistroKid in den globalen Internet-Music-Stores und Streamingdiensten verfügbar. Musikalisch bewegen sie sich in einem wunderbaren Achtzigerjahre-Genre, das in den Weiten des Internets nicht nur überlebt, sondern längst einen eigenen vitalen Mikrokosmos herausgebildet hat. Die Rede ist von Synthpop – oder Synthwave, je nachdem. Mit Verve beschwören Internetmusiker aus aller Welt eine Zeit, in der man noch ehrfurchtsvoll von „Süntis“ sprach und es nach und nach schaffte, Drumcomputern Seele einzuhauchen; als die Haare toupiert und die Gesichter geschminkt, die Klamotten dazu neuromantisch geschnitten waren; als Kraftwerk schüchtern von einem Model schwärmten, Depeche Mode gar nicht genug kriegen konnten und Human League die Stimme Buddhas hörten, während Visage zu Grau verblassten und Gary Numan darüber meditierte, ob Freunde wohl elektrisch seien.

„Synthpop/Synthwave hat in anderen europäischen Ländern eine große Fangemeinde“, sagt Rossi, „in Deutschland ist das Genre noch etwas unterrepräsentiert.“ B.S.C. halten hierzulande die Fahne hoch. Der Projektname – auf Deutsch etwa „Sirrender Klangsüßkram“ – scheint Programm, und das im besten Sinne. Denn die englischsprachigen Songs sind regelrechte Ohrwürmer und verbinden die klassischen elektronischen Klangwelten der Eighties mit modernen House- und Dance-Beats, nicht selten versehen mit eigenwilligen Texten und einem Schuss Melancholie, wenn nicht gar Morbidität. Es sind knackige Synthi-Dance-Tracks, die um klassische Genrethemen wie dunkle Leidenschaften (Tasted Heaven), Retro-Feeling (Back in Time), Euphorie (You Take Me High) und Maschinen (Rise of the Drum Machines) kreisen.

Herzblut, Qualität und eine digitale Strategie

Rossi ist ein überaus kreativer Kopf – und konsequent obendrein. Vorgefertigte Firmensounds und das schnelle Produzieren „am Küchentisch“ oder auf dem Laptop lehnt er ab. Für den virtuosen Autodidakten ist Musik eine künstlerische Herausforderung und solides, schöpferisches Handwerk. Kein Wunder, dass sein Studio durch ein feines Arsenal an analogen wie digitalen Synthesizern und Drummachines beeindruckt. Um die Songs von Buzzing Sound Candy radiotauglich produzieren zu können, hat er sich über Jahre hinweg das Know-how eines Tontechnikers draufgeschafft. Und bevor ein Song seine Veröffentlichung erlebt, wird er in einem professionellen Mastering-Studio auf Industriestandard gehoben. „Da wird aus Enthusiasmus viel Geld investiert“, sagt Rossi ein wenig sarkastisch, „das man wohlweislich nie wieder sieht.“ Denn selbst wenn man großen Erfolg hat: Pro Stream erhalten Künstler einen Betrag von sage und schreibe unter 1 Cent. Um hier auf nennenswerte Umsätze zu kommen, muss man schon ein gefeierter Star sein.

Da stellt sich die Frage: Warum tut man sich das alles an? Die Antwort ist simpel: Aus Liebe zur Musik. Weil man mit Herzblut bei der Sache ist, nicht anders kann. Weil man Teil einer aufregenden Szene ist, immer neue, spannende Leute kennenlernt. Und weil man insgeheim vielleicht doch darauf hofft, erfolgreich mit der Musik zu sein, ein bisschen Geld zu verdienen. B.S.C. scheinen ihren Dreh gefunden zu haben: Mit Weitblick schicken sie ihre digitalen Promokits an die richtigen Multiplikatoren in den Weiten des Webs. Ihre Songs haben Qualität und überzeugen, weshalb sie regelmäßig von Internetradiostationen und in Mixshows auf der ganzen Welt gespielt werden, darunter Artefaktorradio (Mexiko), Radiocoolio (Kanada), Radio Dark Tunnel (Deutschland) und die „Electric Family Tree Radio Show“ (Großbritannien). Bei letzterer legt kein Geringerer als Rusty Egan Hand ans Mischpult, einst Mastermind der Synthpop-Helden Visage (We Fade to Grey) und heute ein einflussreicher DJ in der Szene. Seine einzigartige Art zu moderieren und seine eleganten Übergänge von Track zu Track muss man gehört haben. Auf Bombshellradio (Kanada) haben B.S.C. sogar mal selbst eine Radioshow moderiert – ebenfalls kein schlechter Move zur Steigerung des Bekanntheitsgrads. Auch das Ziel, die eigenen Songs von angesagten DJ-Produzenten remixen zu lassen, haben sie erreicht. Zum Beispiel von Mark Kendrick, der unter seinem Künstlernamen Fused etwa den B.S.C.-Track Back In Time überarbeitet und so für die weitere Verbreitung des Songs unter seinen zahlreichen Followern gesorgt hat. Im Herbst wollen B.S.C. ein Album herausbringen, von dem es auch eine limitierte Vinylauflage geben soll. Vinyl? „Na klar“, sagt Rossi, „Vinyl ist schon länger wieder im Kommen und passt außerdem gut zum Retrofeeling unserer Musik.“ Darüber hinaus sind Vinylveröffentlichungen, ebenso wie Liveauftritte samt Merchandising, weitere Möglichkeiten, auch ein bisschen Geld zu verdienen.

Bei den Künstlern kommt am wenigsten Geld an

Denn, so Rossis Resümee: „Die Tatsache, dass man selbst bei größerem Bekanntheitsgrad kaum angemessen für seine künstlerische Arbeit bezahlt wird, ist und bleibt das Problem der heutigen ,unsigned artists‘. Für ein paar Euro Monatsabo bekommen die User das gesamte Riesenspektrum an zeitgenössischer Musik präsentiert, das macht aufwendig und mit Liebe produzierte Tracks zur billigen Massenware, zu wertlosen akustischen Accessoires. Gewinne fahren vor allem die Internetriesen ein, auch durch die Werbespots, die Nichtabonnenten zwischen die Titel eingespielt bekommen. Bei den Künstlern jedoch kommt am wenigsten Geld an.“ Weshalb Journalisten wie Kabir Sehgal schon fordern: „Spotify and Apple Music should become record labels so musicians can make a fair living.Sehgals Vorschlag: Streamingdienste schließen Verträge mit Künstlern und zahlen ihnen auch vorab schon Honorare, mit denen sie dann weiterarbeiten und neue Musik produzieren können, die wiederum weitere Kunden und Streams nach sich ziehen. „Eine nette Utopie, die aber nicht Wirklichkeit werden wird“, meint Rossi skeptisch – und freut sich auf die Wellen, die der aktuelle Buzzing-Sound-Candy-Titel You Take Me High mit Gastsängerin Fériel hoffentlich noch schlagen wird. Am Erfolg geschnuppert hat das deutsche Synthpop-Projekt bereits – und vielleicht schwebt es irgendwann ja doch einmal im siebten Musikerhimmel.

Bandinfos und Hörproben: http://www.buzzingsoundcandy.com

Der Axiomator, Debütalbum „Aliens mit Niveau“: Retro-Elektronik! Oldschool-Synthipop!! Novelty-Electro!!!

Musikneuerscheinungen rezensiere ich für gewöhnlich nicht, aber bei diesem Album mache ich gern eine Ausnahme. Schließlich kommt es von einem kreativen Kopf aus der Region, der einiges an Beachtung verdient hat. Schon seit geraumer Zeit tüftelt Der Axiomator in kompletter Eigenregie an einnehmenden Tracks, die uns musikalisch zurück in die 1980er Jahre entführen. Genauer: ins gute alte Synthipop- und Elektronik-Universum, wie es von Gary Numan oder Human League, von Yazoo, Depeche Mode und Camouflage, von DAF, Visage und natürlich von Kraftwerk geprägt wurde. Der im positiven Sinn verrückte Einzelkämpfer verbindet die prägenden Elemente und Stilmittel dieser Zeit virtuos: federleichte Basssequenzen und laszive Waber-Grooves, lustige Computerstimmen und furztrockene Synthidrum-Schläge, monumentale Keyboard-Wände mit Dub-Effekten, dazu herrlich nervöse Zisch- und Zwirbel-, Kruschpel-, Knarz- und Fiep-Sounds. Ist das Retro? Ist das Oldschool? Oder einfach hemmungsloser Eklektizismus? Ich habe keine Ahnung. Aber es klingt verdammt gut.

Was Der Axiomator anders macht: Er arbeitet ausschließlich mit deutschen Texten und schert sich einen feuchten Kehricht um Songkonventionen. Statt konsequenter Strophe-Bridge-Refrain-Srukturen kreiert er oftmals lediglich Strophen- oder Refrain-Fragmente; statt anständig zu singen oder zu rappen, bedient er sich eines eigentümlich-charmanten Sprechgesangs; und statt klassischen Storytellings oder bilderreicher lyrischer Reflexionen bevorzugt er die Aneinanderreihung von absurden Thesen, ernsten Gedankengängen und werbespruchartigen Slogans. In Verbindung mit schrillen Synthiklängen entstehen dann gelegentlich munter vor sich hin pluckernde Tracks, denen man durchaus ein neues Label verpassen könnte: „Novelty-Electro“!

„Novelty Songs“ sind an sich nichts Neues. Grob gesagt, handelt es sich dabei um Unterhaltungssongs, die durch skurrile Texte, schräge Arrangements oder Gaga-Sounds derart mit der Konvention brechen, dass ein Schmunzel- oder Lacheffekt entsteht. Berühmte Beispiele: They’re Coming to Take Me Away, Ha-Haaa, natürlich Monster Mash, Charlie Brown oder der Babysitter-Boogie – mit dem unwiderstehlichen Babylachen nach jeder Strophe. Im Kontext klasse produzierter Elektronikmusik aber schafft der Axiomator hier durchaus etwas Eigenes. Wenn er im Titeltrack seines Debütalbums die intergalaktische Partnervermittlungsagentur Starship Punkt X O besingt, Slogan: „Wir vermitteln Aliens mit Niveau“, dann ist das ähnlich Novelty-Techno wie sein kleines, feines Drama um einen von Haarausfall geplagten Mann, der sich nur noch mit Toupet in die Disco traut (Fifi mit Klett), oder die paradoxe epische Zukunftsvision vom freien, intelligenten Roboterembryo, der sich – per Kabelschnur (sic!) mit Information und Energie gefüttert – anschickt, eine dem Untergang geweihte Menschheit hinter sich zu lassen.

Eigentlich ein bisschen gruselig, kommentieren Nutzer im Internet, und das nicht zu Unrecht. Tracks wie Roboterembryo unterstreichen denn auch, dass es dem Axiomator noch um mehr als nur einen feinen Klamaukeffekt geht. Die 11 Stücke von Aliens mit Niveau zeigen sich fasziniert von der Technik, benennen jedoch auch deren Gefahren und – vor allem – den großen Risikofaktor, den die Menschen mit ihren Schwächen in der Welt darstellen. Es sind überhebliche Menschen, die sich unnötig von unheimlichen Technologien abhängig machen; die in einer Mischung aus Konsumrausch und Profitstreben Berge von Elektroschrott produzieren; oder die Systeme entwickeln, die dann andere eitle Menschen wie Hacky, der Hacker zum Einsturz bringen. Da fragt man sich unwillkürlich: Sind wir Menschen nicht unbegründet eitel, eigentlich lächerliche Gestalten?

„Doch nichts bewegt den Mensch so sehr wie hormonell gesteuerter Verkehr“, resümiert Der Axiomator einmal eindeutig doppeldeutig in einer grotesken Auflistung von Reisezielen und Fortbewegungsmitteln. Was am Ende zwei Dinge bedeuten mag. Erstens: Der Mensch bildet sich nur ein, dass er die Kontrolle hat – denn größtenteils wird er nicht vom Intellekt, sondern von chemisch-biologischen Prozessen gesteuert. Und zweitens ist das erst mal gar nicht schlimm, sondern kann sogar Spaß machen und überaus lustvoll sein. Richtig tragisch aber wird es laut Axiomator, wenn nicht wenigstens ein kleines bisschen Vernunft vorhanden ist – wenn Leute völlig unmenschlich und kopflos agieren, so wie Großkotze, Hooligans, Neonazis. „Willst du mal nen Tipp, dann tipp dir an die Stirn, denn da wird etwas vermisst – ja, man nennt es Hirn“, ruft der Künstler solchen Aliens OHNE Niveau in einem ohrwurmigen Song-Coup namens Hirn zu, um dann im entspannt groovenden Einfach locker fast schon pädagogisch wertvoll hinterherzuschieben: „Wir alle haben es in der Hand, dass unser Leben etwas lockerer und lebenswerter wird. Wir alle!“ Da kippt das Novelty-Axiom fast in ein gestrenges Message-Axiom um. Und das ist Geschmackssache.

Aber: Hat er nicht irgendwie auch recht, unser Axiomator?

Fazit: Aliens mit Niveau ist alles andere als Elektroschrott – ein erstaunlich souveränes, abgeklärtes Elektronikwerk, das gekonnt mit der Tradition spielt und gerade textlich eigene Akzente setzt. Die beiden atmosphärischen Instrumentaltracks am Anfang und am Ende des Albums hatte ich noch gar nicht erwähnt – ebenso wie die coolen, professionellen Videos, die der Axiomator gleichfalls selbst produziert. Auch mit ihnen macht dieser kreative Querkopf Lust auf mehr.