Er singt gut, spielt souverän Gitarre und ist mit Leib und Seele dabei. Er ist cool, hat mit dem Establishment nichts am Hut und trampt ohne festen Wohnsitz durchs Leben. Ein echter Künstler eben, ein Hobo und Bohemien. Nach dem Selbstmord seines Duopartners versucht Llewyn Davis (Oscar Isaac), aus der damals noch kleinen, kaum bekannten New Yorker Folkszene heraus eine Solokarriere zu starten. Doch leider fehlt dem von sich selbst so überzeugten jungen Barden einiges: das Gespür für die richtigen, zielführenden Connections etwa oder auch der Draht zum Publikum und ein gewisser Sex-Appeal – Qualitäten, mit denen eher die befreundeten Folkies Jim und Jean (Justin Timberlake, Carey Mulligan) gesegnet sind. Hinzu kommt, dass Llewyn Davis völlig orientierungs- und verantwortungslos ist. Er kennt nur sich und seine Musik. Mit all den flüchtigen Beziehungen, aus denen auch mal Schwangerschaften resultieren, und verschiedenen Joboptionen weiß er einfach nichts anzufangen. Bietet sich mal die kleine Chance, etwas zu erreichen oder auch nur geradezubiegen, läuft er Gefahr, diese Chance zu versauen.
Llewyn Davis ist ein Mensch, der an den widrigen Umständen, vor allem aber an sich selbst scheitert. Darin ist er ein typischer Coen-Brüder-„Antiheld“ – so wie Inside Llewyn Davis ein typischer Coen-Brothers-Film geworden ist. Schräge Typen und feine Ironie, lakonischer Witz, John Goodman und ein Sinn für absurde Situationen – es ist alles da, was man von Ethan und Noel Coen erwartet, auch wenn die beiden diesmal fast schon Jarmusch-/Kaurismäki-haft minimalistisch vorgehen. Ein Verliererporträt aus den Anfangstagen der Popindustrie, eine Hommage an all diejenigen, die es als Künstler nicht geschafft haben, das ist in Zeiten einer von Superstars und Castingshows, von Einschaltquoten, Klickraten und Umsatzzahlen geprägten globalisierten Unterhaltungsbranche eine feine Geste. Dass man ausgerechnet Teen-Idol und R&B-Superstar Justin Timberlake in die Rolle eines aalglatten Folk-Saubermanns steckt und dass eine Katze, die für all die verpassten oder selbst kaputt gemachten Chancen stehen mag, den teils zynischen Running Gag des Films bestreitet, gehört zu den skurrilen Einfällen, die sich die Coens eigentlich in jedem ihrer Filme leisten und für die man sie so liebt.
Schade nur, dass das begnadete Regiegespann seine erfundene Geschichte diesmal in einer ganz bestimmten Zeit und einem ganz bestimmten engen kulturellen Kontext verankert hat. Das weckt natürlich Erwartungen, gerade bei Musikliebhabern und -historikern. Und hier enttäuscht der Film auf ganzer Linie. Ein paar Liveszenen aus dem nachempfundenen berühmten „Gaslight“-Café, die Klamotten von damals, ein paar winterliche New Yorker Straßenzüge, die an das Plattencover von The Freewheelin’ Bob Dylan erinnern, und ein Auftritt von F. Murray Abraham als Managerguru Grossman reichen nicht, um hier echte Sixties-Szeneatmosphäre heraufzubeschwören. Ein Gefühl von „Ja, so könnte es damals gewesen sein“ stellt sich beim Anschauen des Films nicht ein, das Ganze wirkt trist und unterkühlt, fast schon emotionslos und eher holzschnittartig zusammengestellt. Der Jazz und die Beat-Poesie waren weitere künstlerische Strömungen, die die damalige Zeit oder zumindestens den kulturellen Underground bestimmten, ebenso Blues, Rockabilly und Rock ’n’ Roll. Blues, Rockabilly und Rock ’n’ Roll aber kommen in Inside Llewyn Davis überhaupt nicht vor, und Jazz und Beat-Poesie begegnen dem Helden wie dem Zuschauer lediglich als Klischees – auf einer Jack Kerouacs On the Road zitierenden bizarren Autofahrt von New York nach Chicago. John Goodman spielt da den exzentrischen Jazzmusiker Roland Turner, der sich symbolträchtig von einem – ho, ho – alles andere als eloquenten Beatdichter namens Johnny Five (Garrett Hedlund) chauffieren lässt und seine ganze Verachtung für das substanzlose Folkgenre artikuliert. Natürlich ist das witzig, Lacher sind garantiert, aber mit Blick auf die Zeitgeschichte handelt es sich letztlich um nicht mehr als billige Parodien. So wie auch Llewyn Davis am langen Ende eher peinlich wirkt und nur noch Kopfschütteln hervorruft.
Wirklich eintauchen in die Welt von damals wollen die Coen-Brüder nicht, und echtes Mitgefühl für ihren Protagonisten haben sie auch nicht. Dass gegen Ende des Films der damals noch unbekannte Bob Dylan lediglich im Bildhintergrund(!) die Bühne betritt und dann quasi aus dem Off vor sich hinnölt, ist zwar ein weiterer netter Gag, deutet aber auch an, was für ein spannendes Werk Inside Llewyn Davis hätte werden können, wenn sich die Coens ernsthaft mit der damaligen Szene auseinandergesetzt hätten. Es hätte ja gar keine moralinsauere Tragödie, sondern durchaus ein echter Coen-Brothers-Film werden können – so wie ihr atmosphärischer Streifen O Brother, Where Art Thou aus dem Jahr 2000, der gekonnt das Artifizielle mit echtem Zeitkolorit und wahrer Liebe zur Musik verbindet. Oder wie Woody Allens furiose fiktive Musikerbiografie Sweet and Lowdown, in der Sean Penn einen an Django Reinhardt angelehnten Gitarristen gibt. So bleibt Inside Llewyn Davis eine routinierte Fingerübung, ein kleines zynisches Kammerspiel – ein großer Coen-Brothers-Film ist es nicht. Es fehlen der Draht zum Publikum und ein gewisser Sex-Appeal. Der Soundtrack allerdings ist ganz ok.