Herrgott noch mal, was ist bloß in Xavier Naidoo gefahren? Hat sich neulich erst mit Kool Savas und dem völlig verunglückten Kindermörderrächersong Song Wo sind sie? fast ins Abseits gesungen – und unterzieht nun auf seinem neuen Album, das den salbungsvollen Titel Bei meiner Seele trägt, ausgerechnet den Ärzte-Song Junge einer unpassend weinerlichen Coverversion. Dabei ist es gerade mal ein Vierteljahr her, dass Heino das größtmögliche Überraschungsmoment und den ultimativen Unverschämtheitsbonus aus diesem Stück herausgeholt hat.
Zur Erinnerung: Junge nimmt spöttisch die Perspektive verständnisloser Eltern ein, die nicht verstehen können, warum ihr Sohn lieber abgerissene Klamotten trägt, laut Musik macht und mit Gleichgesinnten abhängt, anstatt sich fleißig um den Aufbau einer bürgerlichen Existenz zu bemühen: „Guck dir den Dieter an, der hat sogar ein Auto!“ – „Es ist noch nicht zu spät, dich an der Uni einzuschreiben!“ – „Und wie du wieder aussiehst, Löcher in der Nase und ständig dieser Lärm!“ Den Eltern im Song ist es nicht nur wichtig, die Fassade aufrechtzuerhalten („Was soll’n die Nachbarn sagen?“), sie versuchen auch, ihren Jungen emotional zu erpressen: „Willst du, dass wir sterben?“ Eine Einstellung, der vor allem der punkrockige Refrain den Mittelfinger zeigt.
Nun kann man von Heino halten, was man will, aber mit seiner Coverversion von Junge landete der biedere Volksmusikbarde einen echten Coup. Inbrünstig, selbstbewusst, in staatstragender Hoch auf dem gelben Wagen-Manier schmetterte Heino den Song, als wolle er sagen: Euch werd ich’s zeigen, ihr Rotzlöffel! Und wisst ihr was? Die Eltern im Song haben verdammt noch mal recht! „Junge, brich deiner Mutter nicht das Herz!“, das klang so unverschämt anrührend nach Freddy Quinn, dass die Ärzte zumindest einen Moment lang wie kleine dumme Jungs dastanden. Den Song einfach mal frech gegen seine respektlosen Urheber gewendet – da fiel selbst coolsten Musikern und abgebrühtesten Szenejournalisten die Kinnlade runter.
Doch was macht nun Herr Naidoo? Trägt Junge vor, als wolle er das „Wort zum Sonntag“ sprechen. Ersetzt lärmenden Punk und feisten Schlager-Sound durch unpassend nachdenkliche Soulgrooves. Übertüncht jegliche Ironie mit möglichst „einfühlsamem“ mehrstimmigem Schöngesang. Wirft sämtliches Einfühlungsvermögen über Bord und stülpt dem fremden Streich ein wenig selbstverliebt die Marke „Xavier Naidoo auf Sinnsuche“ über. Kurz: Gewinnt dem Original nicht etwa eine unerwartete neue Facette ab, sondern intoniert und arrangiert komplett am Text vorbei. Vielleicht wollte Naidoo den Song, nachdem Heino ihn gewissermaßen geraubt und entweiht hatte, einfach in die Welt des Pop zurückholen. Das wäre aber auch das Einzige, was für diese Coverversion spräche. Ansonsten ist sie einfach überflüssig.
I am a parent of a teenage son – and I find the song very moving. Not for the exact words used (it is a cover, so he cannot alter the text), but for the intent, and the seriousness that Xavier infuses into the lyrics. If you were the parent of a child that has gone off the rails, is drug-dependent, self-harms, suffers drug-related mental illness, and gives up on education or a career when they have so much talent and potential: that is extremely sad. I just mentally translate the examples given in the song to much worse ones – ones that fit the tone of the singer – who is a real master! MDS
Ich kann die Kritik in diesem Artikel überhaupt nicht verstehen. Ich finde das Cover total gelungen (hab es ständig im Ohr und liebe einfach Xaviers Stimme!!!! ). Ich finde übrigens die ganze CD von Xavier sehr gelungen. Für mich seit seinem Debüt eigentlich mit das beste Album! Xavier hat nicht nur die eine (klassisch soulige/poppige Liebeslieder) Seite (Klischee lässt grüßen), sondern viele Facetten. Und wer sich das Album mal richtig anhört, der findet auf der CD viele Auseinandersetzungen mit sich selbst, als auch viel Ironie. Warum soll er nicht auch mal sowas machen???!!!
Heino?! Der hat den Song gecovert?! Mein Gott, das ist jetzt echt ne ganz andere (für mich unterste) Liga. Da fällt mir eigentlich gar kein Kommentar mehr dazu ein. Das ist nicht meine Musik noch sonst irgendwas.. Schwarzbraun ist die Haselnuss sag ich da nur. Wie kann man den (wahrscheinlicher Nazi…mir wird ganz schlecht!) mit Xavier vergleichen???!!!
Lasst Xavier endlich mal in Ruhe. Er ist wunderbar und ich hoffe, er singt noch mit seiner unverwechselbaren, warmen, gefühlvollen Gänsehaut-Stimme, bis ich (oder er) in die Grube fallen.Gute Nacht!
Moin,
kann hier nicht wirklich mitreden, da ich das Original der Ärzte und auch die Version von Heino nicht kenne (höre kein Radio), aber finde die CD (hab sie geschenkt bekommen) und diese Version von Xavier richtig gut.
Regards,
Jan
ich sehe das auch so, da kommt der Rebel in xavier wieder mal raus. Ich hörte vor paar Monaten das der Manager von den Ärtzen es gar nicht gut fand das heino „junge“ coverte. Ich hab im moment keine Ahnung welche intention xavier für sein cover hat, aber ich vermute auch das er denkt „jetzt erst recht“ … wobei ich das cover auch nicht schlecht finde … beide, auch das von heino. Als ich mit einem Freund neulich über das Thema diskutierte fanden wir beide das es eine ganz andere „Bedeutung“ bekommt wenn der Text plötzlich „ruhig gespielt“ wird.Erst die Sicht aus den „Rock Kindern“ die es doch zu einem Durchbruch geschaft haben – und nun die Sicht aus den „Erwachsenen“ an die Jugend vielleicht doch einen ordentlichen Job zu lernen da es nur ein Bruchteil der „jungen Rockern“ auch zu einem muskalischen Durchbruch schaffen….
Danke, Dzanian, für Deinen Kommentar. Bin immer wieder überrascht, was in Songs an Bedeutung drinsteckt und welchen Sinn sie für jeden einzelnen Hörer ergeben können. ted
Ja, ich war als Xavier-fan auch ziemlich erschrocken, als ich das Lied das erste Mal gehört hatte. Aber es hat doch einen Sinn, man kann Ärzt-Fans damit ärgern.
Wow, so hatte ich das noch gar nicht gesehen: das gute alte Abgrenzunbgsspiel, interessant. Danke für den Hinweis!
Also, wer bis jetzt nicht begriffen hat, dass er von Naidoo’s küchenphilosophischer Kindergartenlyrik,verpackt in einer – zugegeben tollen Stimme – eingelullt wird, ist wohl für immer verloren. Schmalzig, selbstverliebt und arrogant…. Kommerz statt Ausdruck!
Aber auch das ist nur eine Meinung.