Die Toten Hosen waren „not amused“ von Angela Merkel, Wir sind Helden klagten gegen die NPD. Warum? Weil die Politik Wahlkampf mit ihren Songs gemacht hatte – und zwar ohne Erlaubnis. Wer in Internetsuchmaschinen Stichwörter wie „songs used in political campaigns“ eingibt, stößt auf weitere Beispiele, in denen Hits bei politischen Veranstaltungen eingesetzt wurden – häufig gegen den Willen der Autoren und Interpreten. Inzwischen sollte also jeder aufstrebende Politiker und jede aufstrebende Poltikerin die zwei Grundregeln für den Umgang mit Liedgut verinnerlicht haben. Erstens: Nutze nie einen Song ohne audrückliche Genehmigung der Autoren. Und zweitens: Höre stets genauer hin, bevor du einen fremden Song für dich sprechen lässt. Es ist bezeichnend, dass für die letzten großen Aufreger in dieser Hinsicht ausgerechnet Donald Trump sorgte. Der milliardenschwere Republikaner, der so gerne amerikanischer Präsident wäre, fällt immer wieder durch ein beängstigend riesiges Ego und eine besorgniserregende „political uncorrectness“ auf. Während des Schaulaufens der republikanischen Kandidaturkandidaten versetzt er klar denkende Zeitgenossen auf der ganzen Welt nicht nur durch ein tumbes Schwarz-Weiß-Denken, sondern auch durch rassistische und sexistische Ausfälle in Angst und Schrecken. Zeitweise muss man sogar befürchten, Trump würde im Falle einer US-Präsidentschaft die Welt ins Mittelalter zurückbomben.
So einer schert sich natürlich auch nicht um irgendwelche Songs, geschweige denn um Urheberrechte – und so brachte er 2015 zunächst Rockveteran Neil Young gegen sich auf, weil er im Wahlkampf dessen Klassiker Rockin’ in the Free World benutzt hatte, und dann R.E.M., wegen des unerlaubten Abspielens ihres Hits It’s the End of the World As We Know It. Im Oktober desselben Jahres schickte schließlich Steven Tyler, Frontmann der Rockgruppe Aerosmith, eine Unterlassungsaufforderung an Donald Trump, weil dieser ohne Einwilligung der Urheber mit dem Aerosmith-Evergreen Dream On für sich geworben hatte. Trump lenkte zwar rasch ein, aber in der für ihn typischen respektlos-verletzenden Manier: Er hätte durchaus irgendeine Genehmigung zur Nutzung des Songs gehabt, behauptete er unverfroren, und Steven Tyler solle sich doch über die Aufmerksamkeit freuen, die er ihm verschafft habe. Überhaupt sei ihm das Ganze letztlich wurscht, denn er habe inzwischen einen noch viel besseren Song als Dream On gefunden.
Dass Trump die erste Regel für Politiker und Songs nicht beherzigt hatte, lag auf der Hand. Aber wie sieht es mit der zweiten Regel aus, dem genaueren Hinhören? Nun, im ersten Moment scheint Dream On nicht unpassend gewählt. Die Lyrics reflektieren, dass man im Leben schon einiges durchmachen muss („Everybody’s got the dues in life to pay“) und dass man nie weiß, ob einen nicht morgen schon der Tod ereilt („Maybe tomorrow the good Lord will take you away“). „You got to lose to know how to win“, „Du musst verlieren, um herauszufinden, wie man gewinnt“, heißt es, und deshalb gilt es vor allem, im Hier und Jetzt zu leben und so lange weiterzuträumen, bis die eigenen Träume wahr werden: „Sing with me, sing for the year / Sing for the laughter, sing for the tear / Sing with me, just for today / (…) / Dream on / Dream until your dreams come true…“
Okay, kann man sagen: Das steht einem aufstrebenden Poltiker, der schon einige Sträuße ausgefochten hat und nun nach den Sternen greift, ganz gut zu Gesicht.
ABER: Die Lyrics zu Dream On raten auch zu lernen, und zwar von den Dummköpfen, wie von den Weisen: „Live and learn from fools and from sages“ – nur so können Träume auch wirklich wahr werden. Und hier versagt Meister Trump auf ganzer Linie. Denn hätte er die Lyrics gehört, befolgt und sowohl aus den Fehlern anderer wie aus dem Rat einiger weiser Menschen gelernt, dann hätte er sich so manchen dämlichen Spruch, vor allem den imageschädigenden Ärger mit angesehenen Stars wie Neil Young, R.E.M. oder Aerosmith erspart. Ironischerweise hat der erzkonservative Populist den „Live and learn“-Vers aus Dream On sogar aufgegriffen und auch von sich aus in die Runde geworfen: „Lerne immer von den Fehlern anderer, nicht von deinen eigenen – das ist der viel billigere Weg“, zitiert ihn etwa das deutsche „Handelsblatt“ in einem Beitrag mit dem bezeichnenden Titel „Der Milliardär mit der großen Klappe“. Unlängst beschwerte sich auch noch Superstar Adele, Trump habe unerlaubt ihren Hit Rolling in the Deep im Wahlkampf benutzt: Donald – einfach unverbesserlich! Fazit: Wenn einer weder richtig zuhören kann noch seine eigenen Vorgaben befolgt, dann weiß man, was man von ihm zu halten hat. Menschlich wie als Politiker.
Unverbesserlich der Donald! Auf alle Fälle interessant zu lesen, Herr Behrendt!