Der Helene Fischer geht’s nicht gut. Manchmal versagt schon ihre Stimme, das werden doch nicht Anzeichen eines Burn-outs sein? Der arme Jürgen Marcus – Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben – musste gerade Insolvenz anmelden, weil die bösen Bewohner seines Hauses einfach keine Miete mehr zahlen wollten. Oder Costa Cordalis: Lässt sich regelmäßig die Falten wegspritzen und erlitt erst neulich in Chemnitz einen Schwächeanfall, natürlich auf der Bühne. Wolfgang Petry wiederum, einst schwarzgelockter Meister des Schnauzbarts, Herr der schweißgetränkten Freundschaftsringe, trägt heute kaum noch Haar im Gesicht – oh Schreck! Ein Schatten seiner selbst… und dabei eigentlich viel sympathischer als früher. Sympathischer auch als der durchgeknallte Jürgen Drews, von dessen grenzdebilen Interviews wir erst gar nicht reden wollen.
Fest steht: Die Schlagerstars von einst und heute beherrschen immer wieder und immer noch klammheimlich die Medien. Und nirgendwo sonst wird die Diskrepanz zwischen dem jahrelang gepflegten Show-Ich, den aufregenden Song-Ichs und den biografischen Ichs, die den tristen Alltag kaum zu meistern vermögen, deutlicher sichtbar als bei ihnen.
Gewissermaßen zu den Vätern dieses Konflikts gehört ein gewisser Gerd Höllerich. Dem ehemaligen BWL-Studenten sagte man eine große Unausgeglichenheit nach, und sein überraschender Tod im Jahr 1991 war von Selbstmordgerüchten umweht. Zuvor hatte Höllerich als Schnulzensänger „Roy Black“ jahrzehntelang Frauenherzen betört. „Silke Höllerich“, so das Internetlexikon Wikipedia unter Berufung auf ein Buch der Ehefrau, „beschreibt ihren Mann als einen einerseits phasenweise sehr empathischen, liebevollen Menschen, andererseits als paranoiden, geizigen Egozentriker, der seine Frau vor anderen lächerlich machte, sie betrog, keine Beziehung zu seinem Sohn Torsten aufbauen konnte und im Alltag von seiner Familie und seinem Freundeskreis dieselbe Verehrung erwartete wie von seinem Publikum. Zeit seines Lebens soll Roy Black Probleme gehabt haben, die Gratwanderung zwischen seiner Rolle, dem Produkt ,Roy Black’, und seinem privaten Ich, Gerd Höllerich, zu bewältigen.“ Der Filmproduzent Karl Spiehs wird mit folgender Höllerich/Black-Anekdote zitiert: „Er riss gerne Witze über sich selbst, vor allem wenn er sich unglücklich fühlte. Sein Lieblingswitz: ,Wie bekommt man das Gehirn eines Schlagersängers auf Erbsengröße? – Einfach aufblasen!’“
Fischer, Marcus, Petry, Black & Co sind auf der Bühne und in der Öffentlichkeit lediglich Kunstfiguren. Diese Kunstfiguren haben keine Alltagsprobleme. Sie gehen nicht einkaufen, sie kochen nicht. Und sie müssen auch nicht aufs Klo. Genauso wenig wie Kid Rock, Willie Nelson oder Wolf Maahn. Die können sogar in TV-Serien auftreten und dort des Mordes verdächtigt werden, ohne irgendwelchen Schaden zu nehmen. Mehr dazu in „Bata, Michael, Michaela und ich – Wer spricht eigentlich im Song?“, der neuen Folge meiner Essay-Reihe „What have they done to my song?“ auf Faust-Kultur: http://faustkultur.de/1222-0-Behrendt-What-have-they-done-to-my-Song-VI.html#.UdXanFOPqt8