Ebony and Ivory? Ein nicht ganz makelloser Antirassismus-Song … Gedanken zum Musikinstrumentenbau und zur ersten vegan zertifizierten Violine
Musik und Tierwelt: zwei Bereiche, die auf den ersten Blick kaum etwas miteinander zu tun haben. Auf den zweiten Blick aber kommt man ins Nachdenken. Denn traditionell wird beim Musikinstrumentenbau häufig auf Materialien von – getöteten, ausgeschlachteten – Tieren zurückgegriffen: Trommeln sind mit Tierhäuten bespannt oder mit Tierfellen überzogen, in Mundstücken findet sich Schildpatt von Schildkrötenpanzern. Akustische Gitarren verwenden für den Sattel, auf dem die Saiten aufliegen, Knochen von Rindern, und Violinensaiten bestehen aus getrocknetem Darm. Die Bögen bespannt man wiederum mit Rosshaar, dessen Gewinnung schonend, von lebenden Pferden erfolgen, aber auch mit Qualen verbunden sein kann. Ganz zu schweigen vom Knochenleim, der vielfach beim Zusammenfügen der Instrumententeile verwendet wird.
Vor diesem Hintergrund entwickelt auch Ebony and Ivory, der im Grunde gut gemeinte Antirassismus-Song von Paul McCartney und Stevie Wonder, einen schalen Beigeschmack. Wenn weißes Elfenbein und schwarzes Ebenholz perfekt harmonieren können auf der Klaviertastatur, so die Versöhnungsbotschaft des Evergreens aus dem Jahr 1982, warum kriegen das nicht auch schwarze und weiße Menschen hin? Der kleine Haken: Das Elfenbein für die weißen Tasten stammte lange Zeit von Elefanten, die häufig auch Opfer von Wilderern geworden waren, und das Ebenholz für die schwarzen Tasten ist zwar kein Tier, dafür ein kostbares Tropenholz, aufgelistet unter den gefährdeten Arten. So beschwören Wonder und McCartney unfreiwillig eine fragwürdige Harmonie. Zur Ehrenrettung der Herren: Sie haben es damals wohl nicht besser gewusst – so wie auch viele Fans, die den Song begeistert mitsummten, einschließlich des Autors dieses Textes. Erst seit Ende der 80er Jahre sind Artenschutzbestimmungen in Kraft, die auch im Musikinstrumentenbau die Verwendung tierischer Materialien und bedrohter Tropenhölzer zumindest einschränken.
Seitdem wird leidenschaftlich an Alternativen geforscht. Und das hat speziell im Geigenbau zur ersten als frei von Tierleidprodukten zertifizierten Geige der Welt geführt. Das Anfang des Jahres von der Vegan Society ausgezeichnete Instrument stammt von dem renommierten Geigenbauer Padraig ó Dubhlaoidh aus dem Hause Hibernian Violins im britischen Malvern, Grafschaft Worcestershire. Für das Futter nahm er gedämpfte Birnen, das Holz färbte er mit dem Saft von Waldbeeren, und beim Bindemittel setzte er unter anderem auf Quellwasser aus der Region. Angeregt wurde Padraig ó Dubhlaoidh während der Corona-Zeit durch nachdenkliche Kundinnen und Kunden, die ihre Violine endlich frei von ethischen Bedenken spielen wollten. Die Auszeichnung der Vegan Society bezieht sich allerdings nur auf den Korpus des Instruments – für Bögen und Saiten gibt es schon länger pflanzliche und andere nichttierische Optionen. Umgerechnet 9.600 Euro kostet das gute Stück, was sich bei steigender Nachfrage jedoch ändern kann. Und natürlich ist Padraig ó Dubhlaoidh nicht der einzige Geigenbauer, der nach veganen Gesichtspunkten arbeitet – sein Werk wurde lediglich als Erstes entsprechend zertifiziert. Unter deutschen Spezialisten wird am häufigsten Jan Meyer in Leipzig genannt.
Ein nicht ganz unwesentlicher Aspekt des nachhaltigen Instrumentenbaus ist natürlich die Frage, ob die Verwendung anderer Materialien zu einem veränderten Klang führt, und wenn ja, ob der Klang gleichwertig oder eher schlechter ist. Hier wird unter Fachleuten leidenschaftlich gestritten. Man darf aber davon ausgehen, dass Spezialisten wie Jan Meyer und Padraig ó Dubhlaoidh vor dem Hintergrund ihrer eigenen hohen Ansprüche schon aus Prinzip nicht mit minderwertiger Ware an die Öffentlichkeit gehen würden. Und dass auch beim Musikhören vieles einfach eine Frage der Gewöhnung ist.
Interessantes Thema!
Über die Materialien von Instrumenten hat man sich nie Gedanken gemacht, umso spannender welche Alternativen es gibt.