Yacht Rock – der neuste (alte) Schrei

Neulich postete der sehr geschätzte und weit über Frankfurts Grenzen hinaus bekannte DJ Heinz Felber auf Facebook einen Schmuserocksong, den ich lange nicht mehr gehört hatte: Baby Come Back von Player. Der lapidare Kommentar dazu lautete: „Yacht Rock Classic“.

Yacht Rock?, fragte ich mich, wie kommt denn da das Boot ins Spiel? Und wollte frotzelnd gleich etwas zurückposten, von wegen: „Auch ohne Luxusschiff spitze“, oder: „Heinz, bist Du seekrank?“ Aber da man sich mit allzu übereilten Facebook-Kommentaren leicht in die Nesseln setzen kann, warf ich lieber erst mal die Internetsuchmaschine an. Und siehe da: Den Yacht-Rock-Begriff gibt’s tatsächlich.

Er bezieht sich auf Musik, die die meisten von uns kennen. Gemeint sind die die überaus geschmackvoll produzierten, mit perfektem Satzgesang und exquisiten Soli versehenen Songs von späten 1970er- und frühen 1980er-Größen wie den Doobie Brothers, Toto, Loggins & Messina, Hall & Oates, den Eagles oder Steely Dan. Journey, REO Speed Wagon, Christopher Cross und selbst Foreigner mit ihren langsameren Songs zählen auch noch dazu. Natürlich wurde diese Musik damals noch nicht so genannt. Der Begriff Yacht Rock wurde laut Wikipedia erstmals 1990 gebraucht, und zwar im despektierlichen Blick zurück auf den Musikgeschmack der Achtzigerjahre-Yuppies, die all den genannten Bands lauschten, während sie auf ihren teuren Partybooten vor der Küste Kaliforniens cruisten. Auch die eine oder andere nautische Referenz in Songtexten, Videos und Albumcovers (siehe Sailing von Christopher Cross) soll den Begriff inspiriert haben.

Der abwertende Charakter erklärt sich durch die Tatsache, dass im selben Zeitraum (Ende der Siebziger- bis Ende der Achtzigerjahre) Punk und New Wave für eine Revolution in der Rockmusik gesorgt hatten – perfekte Studioproduktionen von kompositorisch versierten Künstlern mit Hippie- und Konfektionsrock-Hintergrund galten vielen jüngeren Fans als suspekt oder zumindest als angestaubt. Richtig populär, zumindest im angloamerikanischen Sprachraum, wurde Yacht Rock wieder um 2005, und zwar durch eine Serie von fünfminütigen Onlinevideos, die die Protagonisten des Genres in von Schauspielern gespielten fiktiven Szenen durch den Kakao zogen. Der Kopf dahinter, J. D. Ryznar, machte sich zwar ordentlich über die Musiker und die geradezu „inzestuösen“ Verbandelungen innerhalb der Yacht-Rock-Szene lustig, zeigte sich aber auch als echter Fan der Musik und ließ diese zu ihrem Recht kommen.

So wirken die Protagonisten der ersten Videofolge, in der fantasiert wird, wie es zur Entstehung des Hits What A Fool Believes von den Doobie Brothers kam, zwar wie Karikaturen – dem Hit selbst aber wird großer Respekt gezollt. Und dese Anerkennung der Musik führte schließlich zu der positiven Besetzung, die der Begriff Yacht Rock heute genießt. In einer Zeit, in der immer häufiger die „Qualität“ selbst von Fußballspielern und -teams beschworen wird, hat man auch die herausragende Qualität der Smooth-Rock-Hits von damals wiederentdeckt. Mit dem Ergebnis, dass es, etwa in London, regelmäßige Clubabende zum Thema gibt, dass einige der einschlägigen Acts wieder auf Tour gehen und dass verschiedene entsprechende Compilations herauskamen, zuletzt, im Juni 2014, eine „Yacht Rock“-3-CD-Zusammenstellung aus dem Hause Universal.

Bands wie Haim aus Los Angeles lassen etwas vom Rockgeist der späten Siebzigerjahre aufleben, die französische Gruppe Phoenix zitiert diesen kräftig, und die Stepkids aus dem US-Bundesstaat Connecticut klingen sogar manchmal wie eine Reinkarnation von Steely Dan. Das New Yorker Electro-Funk-Duo Chromeo wiederum arbeitet geschickt Yacht-Rock-Elemente in seinen Dancefloor-Sound ein – und war auch schon gemeinsam mit Hall & Oates auf Tour.

Da wird es ja mal Zeit, dass Yacht Rock auch in unseren Breiten ein Revival erlebt. DJ Heinz Felber will den Anfang machen. Mit einem Clubabend am 27.12. in Frankfurt, bei Hans Romanov im „Neglected Grassland“.

 

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